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Guidelines zur Prävention von Zahnfleischproblemen

 

Effektive und individuelle Plaquekontrolle für den Erhalt der gingivalen Gesundheit

 

Ein von 70 weltweit führenden Parodontologen und medizinischen Wissenschaftlern erarbeiteter Konsensus belegt: Bei der Vorbeugung von Parodontitis spielt die Entfernung und Kontrolle der Plaque durch eine regelmäßige und effektive Mundhygiene eine entscheidende Rolle. Die mechanische Zahnreinigung mittels Zahnbürste und Interdentalbürste sollte nach Empfehlung der Experten bei erhöhtem Risiko für Zahnfleischprobleme durch eine geeignete Mundspüllösung ergänzt werden.1,2 Eine umfassende Metaanalyse belegt den positiven Effekt der ergänzenden Mundspülung.3

Parodontitis ist weltweit eine der häufigsten chronischen Krankheiten in der erwachsenen Bevölkerung. Sie stellt eine große Belastung für das öffentliche Gesundheitssystem dar, obwohl die Zahl der Betroffenen in Deutschland insgesamt zurückgegangen ist. Wie die im August veröffentlichte fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) zeigt, leidet allerdings noch immer jeder zweite 35- bis 44-Jährige an einer parodontalen Erkrankung, die in jedem zehnten Fall einen schweren Verlauf nimmt. Mit zunehmendem Alter nimmt dieser Anteil noch weiter zu.4

Verantwortlich für Karies und Parodontitis sind in Biofilmen organisierte Bakterien. Die wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung von Zahnfleischproblemen ist deshalb das konsequente Entfernen der Plaqueansammlung am und unter dem marginalen Gingivasaum. Denn durch sie kommt es langfristig zu einer Rötung und Schwellung des Zahnfleisches, zu steigender Blutungsneigung, der Bildung von Zahnfleischtaschen und schließlich zu einer allmählichen Verschiebung des subgingivalen Keimspektrums in Richtung parodontalpathogener, gram-negativer Anaerobier.5 Am effektivsten lässt sich Plaque mit Zahnbürste und Interdentalbürste entfernen. Ein großer Zusatznutzen wird durch die zusätzliche Anwendung von Mundspüllösungen erreicht.6,7

Aktuelle Guidelines zur Vorbeugung parodontaler Erkrankungen

 

Zu diesem Ergebnis kommt ein von mehr als 70 weltweit führenden Parodontologen und medizinischen Wissenschaftlern erarbeiteter Konsensus. Unter Federführung der europäischen Gesellschaft für Parodontologie (European Federation of Periodontology, EFP) und mit finanzieller Unterstützung von Johnson & Johnson sowie Procter & Gamble haben die Experten im Rahmen des 11. European Workshop of Periodontology im November 2014 in vier Arbeitsgruppen die aktuelle Datenlage zur Vorbeugung parodontaler und periimplantärer Erkrankungen gesichtet. Die gewonnenen Erkenntnisse, welche im Journal of Clinical Periodontology veröffentlicht wurden, stehen inzwischen auch in Form von Leitfäden für Zahnärzte, Fachpersonal und Patienten für den Praxiseinsatz zur Verfügung.

Eine dieser Arbeitsgruppen widmete sich dem Thema „Primärprävention von Parodontitis durch Management der Gingivitis“ und unterzog Maßnahmen zur Mundhygiene wie Zähneputzen, Interdentalraumreinigung, chemische Plaquekontrolle aber auch die systemische Gabe von antiinflammatorischen Substanzen (NSAIDs) auf Grundlage der vorliegenden wissenschaftlichen Daten einer kritischen Bewertung.1 Mit Prof. Christof Dörfer, Direktor der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Campus Kiel und seit Mai neuer Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) sowie Prof. Dr. Nicole Arweiler, Direktorin und Lehrstuhlinhaberin der Abteilung für Parodontologie der Philipps-Universität Marburg, waren hieran auch zwei renommierte Experten aus Deutschland beteiligt.

Stärkerer Effekt durch zusätzliche Anwendung von Mundspüllösungen

 

Unter anderem kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass sich der Effekt einer mechanischen Plaque-Entfernung durch die zusätzliche Anwendung von Mundspüllösungen, beispielsweise mit ätherischen Ölen, steigern lässt. Denn wie sich in mehreren Studien und einer Metaanalyse gezeigt hat, reichen Zähneputzen und Interdentalhygiene in weiten Teilen der Bevölkerung nicht aus, um eine ausreichende Plaque- und Gingivitiskontrolle zu erzielen und Zahnfleischproblemen vorzubeugen.3 Schuld sind häufig eine zu kurze Putzzeit, eine unzureichende oder nicht regelmäßig durchgeführte Reinigung der Zahnzwischenräume oder eine mangelhafte Kontrolle anderer oraler Biofilme. Die Experten um Arweiler und Dörfer kamen zu dem Schluss, dass  bei Patienten mit Gingivitis bzw. wenn eine Verbesserung der Plaquekontrolle erforderlich ist, die zusätzliche Anwendung von chemischen Antiplaque-Mitteln wie Mundspüllösungen in Betracht gezogen werden kann.6

Eine Metaanalyse belegt positiven Effekt auf Zahnfleischbluten und Plaque

 

Durch die zusätzliche Anwendung von chemischen Antiplaque-Wirkstoffen, wie ätherischen Ölen, in Mundspüllösungen, lässt sich, im Vergleich zu Zähneputzen und Interdentalhygiene alleine, eine statistisch signifikante Verbesserung hinsichtlich der gingivalen Plaque- und Blutungsindizes erzielen. Dies zeigt eine systematische Übersichtsarbeit, welche 87 Artikel qualitativ und 65 Artikel quantitativ ausgewertet hat. Primärer Endpunkt war die gingivale Entzündung, gemessen mit verschiedenen Gingival-, und Blutungsindizes. Sekundärer Endpunkt waren Plaque Indices. Untersucht wurde der Effekt von Mundspüllösungen, Zahnpasten oder –gelen mit plaquereduzierender Wirkung zusätzlich zur mechanischen Mundhygiene bei Patienten im Alter von 10 bis über 50 Jahren mit Zahnfleischproblemen. Ausgeschlossen wurden allerdings alle Patienten, die eine unbehandelte oder unkontrollierte Parodontitis aufwiesen.7 

Die Ergebnisse nach einem Anwendungszeitraum von sechs, maximal sieben Monaten zeigten eine zusätzliche Kontrolle des Modifizierten Gingivitis Index (MGI, Modified Gingival Index) durch die Anwendung von unterschiedlichen Mundspüllösungen, unter anderem mit ätherischen Ölen, im Vergleich zu einer alleinigen mechanischen Plaque-Entfernung, um - 0.439. Beim Blutungsindex ließ sich mit einer Kombination aus mechanischer Zahnreinigung, Zahnpasta und der Anwendung von Mundspüllösungen eine zusätzliche Kontrolle um - 20.564 % erreichen.

Für Mundspüllösungen mit ätherischen Ölen, wie sie etwa in Listerine enthalten sind, zeigte die Metaanalysen eine mit dem Turesky-Index ermittelte zusätzliche Plaque-Reduktion um - 0.827 und eine Verminderung von Zahnfleischentzündungen, gemessen mit dem Modifizierten Gingivitis Index (MGI), um - 0.537. Diese Ergebnisse stimmen mit jenen früherer systematischer Übersichtsarbeiten überein.8,9

Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Mundspülungen mit chemischen Antiplaque-Wirkstoffen einen signifikant positiven zusätzlichen Effekt auf die Kontrolle der gingivalen Entzündung sowie der Plaque haben, so das Fazit der Studie. Zusätzlich gibt es Hinweise, dass chemische Antiplaque-Wirkstoffe einen stärkeren Effekt auf Zahnfleischentzündungen und Plaquekontrolle aufweisen, wenn sie in Form von Mundspüllösungen, statt als Zahnpasta zum Einsatz kommen.7

Gute Schulung und Motivation verbessern Plaquekontrolle

 

Nach den Empfehlungen von Arweiler, Dörfer und den anderen Experten der Arbeitsgruppe muss die Plaquekontrolle jedoch immer an die individuellen Gegebenheiten des Patienten angepasst werden. So hat sich in Studien gezeigt, dass schon eine einmalige professionelle Anleitung  zur oralen Hygiene durch einen Zahnarzt oder Dentalhygieniker zu einer kleinen, aber statistisch signifikanten Reduktion von Plaque und Gingivitis führen kann. Bereits eine einzige Übung zum Zähneputzen bewirkte eine Reduktion der Plaque-Scores um fast 42 Prozent.5

Patienten mit einem geringen Risiko für Parodontalerkrankungen empfehlen die Experten die Zähne zweimal täglich für jeweils mindestens zwei Minuten zu putzen. Bei Patienten mit einem erhöhten Risiko, sollten die Putzeinheiten allerdings länger sein. Die zusätzliche tägliche Reinigung der Zahnzwischenräume ist unerlässlich für die Gesunderhaltung der interdentalen Gingiva. Bei der Plaqueentfernung haben sich Interdentalbürsten in passender Größe als Alternative zur Zahnseide erwiesen und an Stellen, die eine atraumatische Verwendung zulassen, empfiehlt die Expertengruppe sie als Mittel der Wahl. Der Gebrauch von Zahnseide zur täglichen Pflege der Zahnzwischenräume sollte hingegen auf Stellen beschränkt bleiben, für die Interdentalbürsten nicht geeignet sind, zum Beispiel an gesunden Stellen mit engem Approximalraum, wie es in den Empfehlungen der EFP heißt.4

Prophylaxe mit ätherischen Ölen 

 

Die Studienergebnisse heben den Zusatznutzen der Anwendung von Mundspülungen mit ätherischen Ölen  hervor. Lipophile ätherische Öle wie Thymol, Menthol, Eukalyptol und Methylsalicylat sind in der Lage, tief in den Biofilm einzudringen. Die Struktur des Biofilms wird zersetzt, indem die ätherischen Öle Zellwände von Keimen im Biofilm zerstören. Der Biofilm wird auf diese Weise gelockert und gelöst, auch an Stellen, die für Zahnbürste und Zahnseide unerreichbar sind. Außerdem wird durch die hydrophoben Eigenschaften der Öle eine erneute Bakterienaggregation erschwert. So verlangsamen sie die bakterielle Vermehrung und vermindern die Plaqueakkumulation.

Die Metaanalyse zeigt, dass Mundspülungen mit ätherischen Ölen wie Listerine die Wirkung der mechanischen Biofilmkontrolle optimieren können. Im Rahmen der 3-fach-Prophylaxe, also zusätzlich zur mechanischen Zahn- und Interdentalraumreinigung eingesetzt, können Mundspülungen somit einen positiven Effekt auf die Plaquekontrolle und Zahnfleischgesundheit haben.

 

 

 

 

Quellen:

 

1 Chapple ILC, Van der Weijden F, Doerfer C et al.: Primary prevention of periodontitis: managing gingivitis, J Clin Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S. 71-76.

2 European Federation of Periodontology: Guidelines for effective prevention of periodontal diseases. Guidance for dental hygienists, General Guidance: Diseases, Patient/Public Guidance. http://prevention.efp.org/prevention-workshop/guidelines

3 Serrano J et al.: Efficacy of adjunctive anti-plaque chemical agents in managing gingivitis: a systematic review and meta-analysis. J Clin Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S. 106-138.

4 Institut der Deutschen Zahnärzte im Auftrag von Bundeszahnärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung: Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) – Kurzfassung, www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/dms/Zusammenfassung_DMS_V.pdf

5 Díaz PI, Kolenbrander PE: Subgingival Biofilm Communities in Health and Disease. Rev. Clin. Periodoncia Implantol. Rehabil. Oral Vol. 2(3); 187-192, 2009.

6 Sharma N et al.: Adjunctive benefit of an essential oil containing mouthrinse in reducing plaque and gingivitis in patients who brush and floss regularly. A six-month study. J Am Dent Assoc2004; 135: 496–504.

7 European Federation of Periodontology (EFP): Guidelines for effective prevention of periodontal diseases, http://prevention.efp.org/prevention-workshop/ 

8 Gunsolley JC: A meta-analysis of six-month studies of antiplaque and antigingivitis agents. J Am Dent Assoc. 2006 Dec; 137(12): 1649-1657.

9 Stoeken JE et al.: The long-term effect of a mouthrinse containing essential oils on dental plaque and gingivitis: a systematic review. J Periodontol. 2007 Jul; 78(7): 1218-1228.

10 Fine DH et al. Effect of rinsing with an essential oil-containing mouthrinse on subgingival periodontopathogens. J Periodont 2007; 78: 1935–1942.