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Parodontitis: Weiter verbreitet als angenommen

 

Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie empfiehlt verstärkte Präventionsmaßnahmen

 

Wie ist es um die Zahn- und Mundgesundheit der deutschen Bevölkerung bestellt? Wie verbreitet sind Karies, Parodontitis und Co. in den unterschiedlichen Altersgruppen, sozialen Schichten und im internationalen Vergleich? Diesen interessanten Fragen geht das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) in regelmäßigen Abständen seit nunmehr 27 Jahren in seinen repräsentativen Mundgesundheitsstudien nach. Für die aktuelle fünfte Ausgabe (DMS V)1, deren Ergebnisse seit August diesen Jahres vorliegen, wurden im Zeitraum Oktober 2013 bis Juli 2014 in 90 Städten und Gemeinden mehr als 4.600 Personen sozialwissenschaftlich befragt und zahnmedizinisch-klinisch untersucht. Die grundsätzliche Erkenntnis: Die Dentalgesundheit der deutschen Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Im Vergleich zu den anderen G-7-Staaten – Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien und USA – haben Kinder hierzulande die geringste Karieserfahrung, schwere Parodontalerkrankungen sind auch unter deutschen Erwachsenen weit weniger verbreitet als andernorts und Senioren leiden nur noch selten unter völliger Zahnlosigkeit. Das ist ein Ergebnis von konstanter Prophylaxe, Aufklärung und verbesserter Mundhygiene, so das Resümee der Studienautoren.2 Trotz des damit dokumentierten Erfolgs der zahnmedizinischen Präventionsarbeit, könnte die Mundgesundheit der Deutschen noch besser sein.  

Insgesamt sprechen die Untersuchungsergebnisse für den Erfolg verstärkter präventiver Maßnahmen und eine gute zahnärztliche Versorgung in Deutschland. Sorgen bereitet den Dentalexperten jedoch ein bedeutsamer Teilaspekt: Mehr als jeder zweite jüngere Erwachsene ist von einer parodontalen Erkrankung betroffen (52 Prozent der Probanden), davon weisen mehr als 43 Prozent eine moderate Parodontitis (43,4 Prozent der Probanden) aus.3 Die Zahlen legen nahe, dass die Krankheit in der Bevölkerung weiter verbreitet ist als bisher angenommen.4 Und: Aufgrund des demografischen Wandels wird der Behandlungsbedarf bei Parodontitis nach Überzeugung sowohl der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV)5 als auch der Bundeszahnärztekammer (BZÄK)6 künftig noch steigen. Deshalb empfehlen die Experten der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie ausdrücklich verstärkte „Maßnahmen der primären und besonders der sekundären Prävention, die in der gesamten Breite der Bevölkerung verstärkt eingesetzt werden".7 

Mit 3-fach-Prophylaxe gegen pathogene Keime

 

Durch die Aggregation von Bakterien auf der Zahnoberfläche und anderen harten Strukturen in der Mundhöhle, können die dort lebenden Mikroorganismen pathogen werden.8 Dieser dentale Biofilm – umgangssprachlich Plaque genannt – ist ein Mitverursacher für häufige Erkrankungen des Mundraumes wie Karies, Gingivitis und Parodontitis. In dessen regelmäßiger Kontrolle liegt eine der effektivsten Maßnahmen, um Zähne und Zahnfleisch langfristig gesund zu halten. Ein wichtiger Bestandteil präventiver Vorkehrungen ist neben der professionellen zahnärztlichen Betreuung und Behandlung die häusliche Mundhygiene. Viele Menschen denken dabei oft nur an die mechanische Zahnreinigung mithilfe von Zahnbürste, Interdentalbürste oder Zahnseide. Damit lassen sich die Zahnflächen, die rund ein Viertel des gesamten Mundraumes ausmachen, gut reinigen. Die zusätzliche Verwendung einer antibakteriellen Mundspülung im Rahmen der täglichen 3-fach-Prophylaxe kann eine sinnvolle Ergänzung sein. Sie erreicht auch Bereiche des Mundes, die bei der mechanischen Zahnpflege unberücksichtigt bleiben können. Insbesondere Mundspülungen auf der Basis ätherischer Öle (z.B. Listerine®) sind in der Lage, den dentalen Biofilm zu durchdringen, und können dabei helfen, krankheitserregende Keime effektiv zu bekämpfen. Die ätherischen Öle zerstören die aus lipophilen Molekülen bestehenden bakteriellen Zellwände und zersetzen dadurch die Struktur des Biofilms.9,10 Der Biofilm wird gelockert und gelöst, auch an Stellen, an die Zahnbürste und Zahnseide nicht ausreichend hinkommen.

Gutes Mundgesundheitsverhalten

 

Die im Rahmen eines Prophylaxegesprächs geführte Beratung durch den behandelnden Zahnarzt oder die Prophylaxeassistentin kann das Bewusstsein der Patienten für die Bedeutung eines solchen 3-fach-Prophylaxe-Konzepts für die tägliche Mundhygiene weiter erhöhen. Erfreulicherweise ist laut Fünfter Deutscher Mundgesundheitsstudie den meisten Menschen in Deutschland die Zahn- und Mundgesundheit sehr wichtig. Sie wissen, dass gesunde Zähne auch das Ergebnis von eigenverantwortlichem Handeln sind: „Immerhin zwischen 70 und 85 Prozent der Befragten sind – je nach Altersgruppe – davon überzeugt, viel oder sehr viel für die Gesundheit der eigenen Zähne tun zu können.“11 Insgesamt ist das Mundgesundheitsverhalten der Bevölkerung laut der aktuellen Studie gleichbleibend gut und hat sich speziell unter den jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) sogar verbessert. So kenne fast jedes zweite Kind (45 Prozent) und fast jeder dritte Erwachsene (31 Prozent) die zahnärztlichen Empfehlungen zur Mundpflege und gebe ein gutes Zahnputzverhalten an. In der Altersgruppe zwischen 65 und 74 Jahren hat sich die Zahl der Personen mit einer guten Mundhygiene im Vergleich zum Jahr 1997 nahezu verdreifacht (32 Prozent).12 

Trotz dieser positiven Entwicklung weist laut DMS V jeder zweite jüngere Senior eine moderate und jeder fünfte eine schwere parodontale Erkrankung auf. Bei den älteren Senioren ab 75 Jahren verstärkt sich dieser Trend: Hier leiden sogar neun von zehn Menschen an der Erkrankung.13 Für die Zukunft erwarten die Autoren einen weiter steigenden zahnärztlichen Behandlungsbedarf bei Parodontitis und nennen als Begründung die demografische Entwicklung und die Verlagerung chronischer Munderkrankungen in ein höheres Lebensalter.14 

Auf altersgerechte Prophylaxeprodukte achten

 

Mit Blick auf die wachsende Zahl älterer Patienten sollten sich Zahnärzte und ihr medizinisches Fachpersonal mit den typischen Charakteristika von Senioren vertraut machen. Deren starkes Sicherheitsbedürfnis etwa kann der Arzt durch aufmerksames Zuhören und einer patientenindividuell angepassten Sprache aufbauen. Da altersbedingte körperliche Einschränkungen die Zahnpflege nicht selten erheblich erschweren, ist es bei diesen Patienten sinnvoll, altersgerechte Prophylaxeprodukte wie beispielsweise leicht handhabbare Mundspülungen als Ergänzung zu Zahnbürste und Zahnseide zu empfehlen.

Salutogenese rückt Eigenverantwortung ins Blickfeld

 

Eine kompetente Beratung durch den Zahnarzt und sein Praxisteam und ein durchdachtes Recallsystem sind von großer Bedeutung in Sachen Prävention. In diesem Zusammenhang benennt die Mundgesundheitsstudie einen neuen, medizinisch wertvollen Ansatz: die sogenannte Salutogenese. Die Wissenschaft von der Entstehung der Gesundheit entstand in den 70er Jahren in Abgrenzung zur Pathogenese mit Fokus auf die Krankheitsentstehung und forscht seither nach schützenden oder förderlichen Faktoren, die die Gesundheit stärken beziehungsweise herstellen.15 Die Salutogenese erlaubt „dem Zahnarztteam eine bessere Einschätzung seiner Patienten sowie eine adäquate Kommunikation entsprechend der persönlichen Haltung des Patienten zur eigenen Mundgesundheit.“ Die Ermittlung der schützenden Faktoren und Eigenverantwortung der Patienten erleichtert die Festlegung individueller Präventions- und Therapieziele.16 

Nachgewiesen besser: Mechanische Zahnreinigung plus Mundspülung

 

Im Idealfall können Zahnarzt und Praxisteam den Patienten zur Mitarbeit für seine eigene Mundgesundheit bringen und von der täglichen 3-fach-Prophylaxe überzeugen. Deren positive Auswirkung bestätigt eine aktuelle Metaanalyse, die Daten von über 5.000 Probanden umfasst. Demnach ergab die ergänzende Mundspülung mit ätherischen Ölen (Listerine®) zusätzlich zur Reinigung mit Zahnbürste und Interdentalbürste oder Zahnseide nach 6 Monaten fast 5-mal mehr plaquefreie Zahnflächen im Vergleich zur mechanischen Reinigung allein.17 Zudem führte die zusätzliche Verwendung der Mundspülung zu 2-mal mehr gesunden Zahnfleischstellen als die mechanische Zahnreinigung allein. Listerine Mundspülungen auf der Basis ätherischer Öle zerstören die aus lipophilen Molekülen bestehenden bakteriellen Zellwände und zersetzen dadurch die Struktur des Biofilms. So wird der Biofilm gelockert und gelöst, auch an Stellen, an die Zahnbürste und Zahnseide nicht ausreichend hingekommen sind. In-vitro und klinische Studien haben weiterhin nachgewiesen, dass ätherische Öle im supragingivalen Raum in den Biofilm eindringen können und die Bakterienzahl reduzieren. Ihre Wirkung erreicht sogar den subgingivalen Raum.9 Unerwünschte Verfärbungen der Zähne, wie sie Mundspülungen mit dem Wirkstoff Chlorhexidin bei Langzeitanwendung verursachen können18, konnten nicht beobachtet werden.19 

„Dentale Awareness" wächst

 

Beratung, Bewusstseinsstärkung, Behandlung: Nicht zuletzt durch die zahnärztlichen Leistungen ist bei der Mundgesundheit in Deutschland laut DMS V ein ebenso deutlicher wie bemerkenswerter Trend zu erkennen: „Sowohl bei der Karies als auch bei Parodontitis zeigt sich in den vergangenen neun Jahren ein erheblicher Rückgang gleichermaßen in der Anzahl der Erkrankungen wie auch in ihrer Schwere."20 Das Fazit der Autoren: „Präventionsorientierung und Aufklärung sowie damit verbunden die Verbesserung der dentalen Awareness und des Mundgesundheitswissens in der Bevölkerung zahlen sich offenbar aus."21 Aber es besteht noch immer Optimierungsbedarf. Denn, so bestätigt auch Dr. Nicolas Rode, niedergelassener Zahnarzt in Kriftel, „Patienten  müssen die Ursachen für mögliche Zahn- und Zahnfleischprobleme kennen und verstehen – erst dann kann eine aktive, effektive Mundhygienepraxis in der Häuslichkeit erwartet werden."

 

 

 

 

Quellen

 

1 A. Rainer Jordan, Wolfgang Micheelis (Gesamtbearbeitung): Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie, DMS V, Materialienreihe Band 35, Deutscher Ärzteverlag 2016 - Kurzfassung (Kf)
2 DMS V (Kf), S. 4
3 DMS V (Kf), S. 15
4 DMS V (Kf), S. 16f
5 kzbv.de: Konzepte und Berichte, DMS V
6 bzaek.de: Nachrichten
7 DMS V (Kf), S. 17
8 Müller, Hans-Peter: Checklisten der Zahnmedizin Parodontologie, Thieme, 3. Auflage, 2012, S. 31ff<
9 Fine DH et al. Effect of rinsing with an essential oil-containing mouthrinse on subgingival periodontopathogens. J Periodont 2007; 78: 1935–1942<
10 Pan PC et al. In-vitro evidence for efficacy of antimicrobial mouthrinses. Journal of dentistry 2010; 38: 16-20.
11 DMS V (Kf), S. 24
12 DMS V (Kf), S. 25f
13 DMS V (Kf), S. 15ff
14 DMS V (Kf), S. 14
15 Susanne Singer: Salutogenese in der Zahnmedizin, IDZ Information 4.10
16 DMS V (Kf), S. 26
17 Araujo MWB, Charles C et al. Meta-analysis of the effect of an essential oil-containing mouthrinse on gingivitis and plaque. JADA 2015; 146(8): 610-622.
18 Van Leeuven M, et al. Essential oils compared to chlorhexidine with respect to plaque and parameters of gingival inflammation: a systematic review. J Periodontol 2011; 82(2): 174–94.
19 Stoeken JE, Paraskevas S, van der Weijden GA. The long-term effect of a mouthrinse containing essential oils on dental plaque and gingivitis: a systematic review. J Periodontol 2007; 78: 1218–1228.
20 DMS V (Kf), S. 27
21DMS V (Kf), S. 26